Rezension zu „Blautöne“ von Anne Cathrine Bomann

Anne Cathrine Bomann hatte mich damals mit ihrem Buch „Agathe“ vollkommen getroffen und mitgerissen. Ich habe mich riesig gefreut über die Ankündigung zu dem zweiten Buch aus der Feder dieser interessanten Autorin. Nur konnte „Blautöne“ leider meinen Erwartungen nicht gerecht werden. Aber das lag nicht am Buch und/oder an der Autorin. Das lag an mir und meinen Erwartungen. Denn „Agathe“ knipst mich natürlich thematisch sehr an, da ich ja selbst in der Psychiatrie arbeite und so manchen Gedankengang der Hauptfigur schon dadurch anders und viel intensiver wahrnehme. Und meine Erwartungen suggerierten mir sicher etwas ähnliches wie „Agathe“.

Doch dies ist „Blautöne“ einfach nicht. Der Roman „Blautöne“ bedient ein anderes Thema, welches nicht direkt in der Psychiatrie angesiedelt, indirekt aber schon. Denn es geht um die Trauer und die Pille dagegen. In unseren hochwirtschaftlichen Gesellschaften spielen solche Gedanken sicher in vielen Köpfen eine große Rolle, denn der Schaden, der der Wirtschaft durch die vielen Ausfälle durch psychische Erkrankungen entsteht, ist immens. Und eine Pille, die solche Gefühle wie Trauer und ähnliche Gefühle ausschaltet, bietet sicher für manche Menschen gedankliche Anreize. Diese Pille, dieses Medikament existiert hier in dem Roman und hat den reizenden Namen Callocain, ein Name, der sofort Erinnerungen in mir wachrief. Doch alles hat Wirkungen und auch Nebenwirkungen. Und der Preis, der für das Ausschalten der Trauer gezahlt wird, ist hoch. 

Ein interessantes Konstrukt ist dieses Buch. Gewiss! Ich habe es gern gelesen und fand diesen Blick auf das Ausschalten von einem tiefen Gefühl aus der Sicht einer Psychologin sehr interessant. Denn so manches Medikament bewirkt auch heute ähnliches. So manche Pille hilft Menschen mit ihrer Umwelt, mit beruflichem Geschehen besser klarzukommen. Die Gesellschaft suggeriert also den empathischen Menschen Medizin zu nehmen um bestimmte Abläufe im Leben besser verkraften zu können. Warum ändert eigentlich die Gesellschaft diese Abläufe nicht um den Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen? Dies wäre doch auch ein Gedanke und ein Weg. Wenn da nicht. Ja, ja, die Kosten. Der schnöde Mammon, unser Gott. Wie weit ist da der Weg zum Kallocain?

Ja, ihr habt richtig gelesen.

Ich habe bewusst Kallocain geschrieben. Dies ist kein Schreibfehler. Denn in dem Buch „Kallocain“ von Karin Boye entwirft diese Autorin eine dystopische Welt, in der ein Wahrheitsserum namens Kallocain dem Staat Macht über die Menschen gibt. Und Anne Cathrine Bomann entwirft eine Welt, in der ein Medikament namens Callocain den Menschen die Trauer nimmt und sie dadurch angeblich besser leben lässt. Und nicht nur dem Patienten wird damit eine Verbesserung vermittelt.

⭐⭐⭐⭐

Rezension: © Booquinia

Unbezahlte Werbung, Coverbild des Buches: © hanserblau

Gegenwartsliteratur, Dystopie

2023 bei hanserblau erschienen

978-3-446-27387-0

304 Seiten


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