Rezension zu „Launen der Zeit“ von Anne Tyler

Nach der Lektüre dieses Buches verstehe ich jetzt warum Anne Tyler ihre Leserschaft so erfreut. Es wird beim Lesen nicht so der Sog erzeugt, es ist eine klare und unaufgeregte Sprache und Handlung, aus der dieser Roman besteht, ruhig werden die Charaktere vor dem Leser ausgebreitet und das ganze wird in einem leisen, unterschwelligen Humor erzählt, und doch, irgendetwas geschieht beim lesen mit mir, etwas sehr Schönes. Nun ist das Thema Emanzipation schon von selbst etwas, was mich sehr interessiert und berührt. Von daher gibt es also schon Pluspunkte. Aber Frau Tyler schafft es in ihrem Roman eine gewisse Tiefe zu erzeugen, die mich anspricht, die mich bewegt. Der letzte Rest für ein mich tief treffendes und nicht mehr loslassendes Buch hat noch gefehlt, aber wenn ich höre, dass es in den Augen anderer Leser bessere Bücher von ihr gibt, freue ich mich sehr auf diese.

Willa, die Hauptprotagonistin dieses Buches entsteht beim Lesen vor meinem geistigen Auge. Willa ist 1956 geboren, ist die Tochter einer anderen Zeit und die Tochter eines anderen Landes, in einem kleinen Kaff in Pennsylvania großgeworden, in dem in ihrer Kindheit nur eine Straße einen Bürgersteig hat, in einem Elternhaus aufgewachsen, dass durch die äußerst dominante und divenhafte Mutter gesteuert wird, die manchmal deutlich über das Ziel herausschießt, aber nicht in ihre Schranken gewiesen wird und der Vater den deutlich ruhigeren und devoten Part übernimmt. Schon das Aufwachsen in dieser Konstellation erzielt bei Willa eine gewisse Abneigung. Schließlich wird Willa durch sich selbst, durch ihre Abneigung gegen die Dominanz der Mutter und durch eine gegenteilige Meinung der Mutter zur Heirat getrieben. Diese vorschnelle und sie einengende Heirat verändert Willa und ihr Leben, sie genießt auch in gewisser Weise das dominante Verhalten ihres Mannes, findet sich schlussendlich in ihrer Rolle ein, hat sich daran gewöhnt und damit arrangiert. Erst durch einen Zufall viele Jahre später kommt Willa zum Nachdenken.


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